So nützlich das Internet ist, so leicht können Nutzer in eine gewisse Abhängigkeit geraten. Fachleute gehen davon aus, dass es in der Schweiz etwa 70'000 Personen gibt, die Internet-Suchtverhalten aufweisen.
Das Internet bietet fast unbegrenzte Möglichkeiten als Arbeitsinstrument und Unterhaltungsmedium. Für viele ist ein Arbeitsalltag ohne World Wide Web undenkbar. Wenn man in der Freizeit jedoch kaum mehr leben kann, ohne täglich über Stunden online zu sein, dann ist der Schritt zur Sucht nicht mehr weit. Die Schweizerische Fachstelle für Alkohol- und andere Drogenprobleme (SFA) thematisiert nun diese Problematik in einer
Publikation.
Befragungen haben ergeben, dass 64 Prozent der Schweizer Bevölkerung ab 14 Jahren das Internet regelmässig nutzen (täglich oder mehrmals pro Woche). Der Anteil der Männer (73%) ist dabei höher als derjenige der Frauen (56%), unter den Jungen ist die Abdeckung wesentlich höher als in der Gruppe der über 50-Jährigen. Die SFA geht in einer Schätzung davon aus, dass in der Schweiz 70'000 Personen onlinesüchtig und 110'000 Personen zumindest gefährdet sind. Die Autoren der Publikation sprechen von einer konservativen Schätzung.
Charakteristisch für ein Suchtverhalten sind folgende Aspekte:
* Starkes Verlangen, das Internet zu gebrauchen
* Kontrollverlust über den Gebrauch
* Zeitliche Steigerung der Nutzung
* Einengung der Interessen auf das Internet
* Entzugserscheinungen (Nervosität)
* Anhaltender Gebrauch trotz schädlichen Folgen
Die Autoren der Publikation weisen darauf hin, dass nicht alle dieser Punkte erfüllt sein müssen, damit ein Suchtverhalten gegeben ist. Eher problematisch ist hingegen, die Nutzungsdauer als Charakteristikum für Online-Suchtverhalten heranzuziehen. Eine Studie kam zum Schluss, dass Online-Süchtige durchschnittlich 35 Stunden pro Woche ausserberuflich für das Internet aufwenden. Doch kann es auch Süchtige geben, die weniger Zeit vor dem Computer sitzen. Zugleich gibt es viele Jugendliche, die während gewissen Phasen in verschiedenen Bereichen exzessive Verhaltensmuster zeigen, um sich danach wieder davon zu lösen.
Ähnlichkeiten mit anderen SuchtformenDie Fachleute weisen auf gewisse Überschneidungen zwischen Onlinesucht und Alkoholsucht hin: «In beiden Fällen kommt es bei einem exzessiven Gebrauch zu Veränderungen im Belohnungszentrum des Gehirns», heisst es in der Publikation. Dies führe dazu, dass alltägliche Belohnungssituationen nicht mehr ausreichen. Betroffene reagierten nervös und aggressiv bei Entzug. Häufig werde das Problem von den Betroffenen heruntergespielt und es komme erst zu einer Veränderung, wenn Personen aus dem Umfeld reagierten.
Die SFA nennt drei Bereiche, die Suchtpotenzial aufweisen: Online-Games (hier sind vor allem männliche Jugendliche betroffen), Online-Kommunikation und Chats (hier sind vor allem Frauen betroffen) sowie die Nutzung von Sex- und Pornoseiten. Obwohl es bei der Onlinesucht keine gefährlichen toxischen Substanzen gibt, birgt die exzessive Internet-Nutzung einige Risiken.
Soziale Beziehungen bleiben auf der StreckeGefährdet sind in erster Linie reale soziale Beziehungen, weil immer mehr Zeit in einer virtuellen Welt verbracht wird. Die hohe Nutzungsdauer kann auch negative Auswirkungen auf schulische und berufliche Leistungen haben. Bei einigen Nutzungsformen sind finanzielle Probleme die Folge. Im weiteren kann es zu Haltungsschäden, verschobenen Schlaf-Wach-Rhythmen, gestörtem Essverhalten, Kopfschmerzen und Sehschwierigkeiten kommen.
Ziel ist die kontrollierte NutzungDie Jugendlichen sind besonders gefährdet, in eine Abhängigkeit zu geraten. Hier setzt denn auch die Prävention an. Ziel ist selbstredend nicht eine Abstinenz, weil das Internet aus vielen Berufen nicht mehr wegzudenken ist und auch für den Freizeitgebrauch viele positive Aspekte bringt. Vielmehr geht es um einen «kontrollierten Gebrauch». Eltern können ihre Kinder dabei unterstützen, angemessene Nutzungsformen zu entwickeln. Nützlich sein können dabei Regeln für die Nutzung (Zeitbudget, Art der Spiele) sowie auch internet-freie Freizeitgestaltung in einer realen Umgebung.
Quelle:
NZZ OnlineDiesen Artikel im Forum diskutieren.