Albert Einstein behält vorerst Recht: Die von ihm postulierte Lorentz-Invarianz konnte bei einem Experiment mit Neutrinos nicht widerlegt werden. Sie ist ein wesentlicher Teil der Relativitätstheorie.
Wie wäre es, wenn die physikalischen Gesetze an Bord eines Flugzeuges ein wenig anders wären als auf der Erde? Die sogenannte Lorentz-Invarianz schließt genau dies aus. Sie ist ein zentrales Element der von Albert Einstein entwickelten Relativitätstheorie und besagt, dass sich die Eigenschaften von Materie oder masselosen Teilchen nicht ändern, nur weil sich diese in Systemen befinden, die sich mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten bewegen.
Unter Umständen könnte die Lorentz-Invarianz in der Natur aber verletzt werden - dies ergibt sich zumindest aus einigen Varianten der Quantengravitationstheorie. Wissenschaftler am amerikanischen Teilchenbeschleuniger Fermilab haben Einsteins Postulat nun in einem Experiment auf die Probe gestellt. Ergebnis: Es hat bestanden.
Im Experiment Minos (Main Injector Neutrino Oscillation Search) erzeugten die Physiker mit einem Teilchenbeschleuniger am Fermilab sogenannte Myon-Neutrinos - Materiebausteine aus dem Standardmodell der Teilchenphysik (siehe Grafik). Dazu schossen sie einen Protonenstrahl auf einen Graphitblock. Dabei entstanden sogenannte Pi-Mesonen, von denen einige beim Zerfall Myon-Neutrinos freisetzten.
Die Neutrinos wurden von zwei Detektoren erfasst: Einer befindet sich in 750 Metern Entfernung und 100 Metern Tiefe am Fermilab, der andere steht 730 Kilometer weiter in einer alten Eisenmine im Soudan Underground Laboratory der University of Minnesota. Die Neutrinos bewegen sich nahezu mit Lichtgeschwindigkeit, Gravitation und Magnetfeld der Erde beeinflussen sie nicht.
Weil die Erde rotiert, rotiert auch der am Fermilab erzeugte Neutrino-Strahl. "Wenn es ein Feld gibt, das Verletzungen der Lorentz-Invarianz hervorruft, dann sollten wir seine Wirkung sehen, weil der Strahl sich im Raum dreht", sagte Stuart Mufson von der Indiana University Bloomington. "Wir haben aber nichts gesehen." Einsteins Relativitätstheorie gelte deshalb weiter.
Mufson betonte, dass die im Fachblatt "Physical Review Letters" publizierte Studie nicht beweist, dass es kein Feld gibt, das die Lorentz-Invarianz verletzt. Zwar ermögliche das Minos-Experiment sehr präzise Messungen, doch "die Wirkung des Feldes könnte so extrem klein sein, dass man außergewöhnliche Instrumente zum Nachweis braucht", erklärte der Forscher.
Manche Theoretiker gehen in ihren Modellen von einem Lorentz-verletzenden Feld aus. Dieses Feld könnte helfen, die chaotischen Zustände kurz nach dem Urknall besser zu erklären, als dies mit den bekannten physikalischen Gesetzen möglich ist.
Der Physiker Alan Kostelecky von der Indiana University Bloomington hat eine Erweiterung des Standardmodells vorgeschlagen, die Felder umfasst, welche die Lorentz-Invarianz verletzen. Sein Modell soll Einsteins Relativitätstheorie und die später entwickelte Quantenmechanik zusammenbringen. Kosteleckys Theorie besagt, dass dieses Feld nach dem Urknall sehr stark war, mit der Ausdehnung der Universums aber immer weiter abgenommen hat, was den Nachweis erschwert.
"Bei allen bisherigen Experimenten wurde keine Verletzung der Lorentz-Invarianz beobachtet", sagte Mufson. Dies bedeute jedoch nicht, dass man aufhöre, danach zu suchen.
Quelle:
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