Quanten-Darwinismus macht objektive Realität erst möglich

Messbare stabile Zustände, die sich über mehrere Quantenpunkte erstrecken und vermehren, "erstmals theoretisch" nachgewiesen.

Wien - Nicht nur die biologische Evolution setzt auf das Überleben der Fittesten, auch in der Quantenphysik gibt es diese Idee: Stabile quantenmechanische Zustände sind instabilen bei einer Wechselwirkung mit der Umgebung überlegen. Während die einen zerfallen, vermehren sich die anderen.

Dieser "Quanten-Darwinismus" konnte nun "erstmals theoretisch bei Quantenpunkten", also nur wenigen Nanometer großen Halbleiterkristallen, nachgewiesen werden, wie der Physiker Friedemar Kuchar von der Universität Leoben berichtete. Seiner Gruppe gelang es in Zusammenarbeit mit US-Forschern, die Fortpflanzung messbarer stabiler Zustände über mehrere Quantenpunkte "indirekt" zu beobachten.

Für eine eine objektive Realität

Die Idee des "Quanten-Darwinismus" stammt ursprünglich von dem US-Forscher Wojciech H. Zurek vom Los Alamos Laboratory in New Mexico. Treten Teilchen im Mikrokosmos mit der Umgebung in Wechselwirkung, so setzen sich nach Überlegungen von Zurek nur die "fittesten", also stabilen Quantenzustände durch. Diese vermehren sich zudem. Nur so ist es auch möglich, dass es eine objektive Realität in unserer Welt gibt

Ein Beispiel: Die Farbe der Blätter beobachten wir nur indirekt. "Wir nehmen die Lichtwellen, die die Eigenschaft Farbe transportieren, wahr", so Kuchar. Da es viele Lichtwellen gibt, sehen auch verschiedene Beobachter das Gleiche. Bei Quantenpunkten sind es analog die Elektronenwellen, die Eigenschaften transportieren. "Erfasst jede Welle die gleiche Eigenschaft, kann ich - und auch jemand anderer - die gleiche Eigenschaft eines Quantenpunkts beobachten", so Kuchar.

Robuste Zustände

Für Quantenpunkte, also kleinste Nanostrukturen (ein Nanometer ist der millionste Teil eines Millimeters), gelten aufgrund ihrer geringen Größe die Gesetze der Quantenphysik. So nehmen etwa auch in Quantenpunkten die Elektronen Zustände mit bestimmten Energiewerten ein. Werden die energetischen Zustände der Elektronen in Quantenpunkten gemessen, kommt es zu Wechselwirkungen mit der Umgebung. Es vermischen sich die Zustände der Elektronen teilweise miteinander, aber auch mit jenen der Umgebung. Einige der ursprünglichen Zustände sind jedoch robust und behalten ihre Energiewerte.

Die österreichischen Forscher unternahmen nun in Zusammenarbeit mit Kollegen von der Arizona State University in Tempe (USA) Experimente an gekoppelten Quantenpunkten, nämlich auf einer Halbleiter-Schichtstruktur aus Aluminiumarsenid und Galliumarsenid. "Dabei sind Quantenpunkte miteinander und mit der Umgebung verbunden, so dass man elektrischen Strom durchschicken, also eine Messung durchführen kann", so Roland Brunner, ein Mitglied von Kuchars Team. Die Elektronen können sich so von einem Quantenpunkt in einen anderen bewegen.

Direkte Beobachtung fehlt noch

Die Forscher haben die elektrische Leitfähigkeit gemessen. Zum Nachweis der Idee des "Quanten-Darwinismus" berechneten sie die Aufenthaltswahrscheinlichkeiten der Elektronen im System mehrerer gekoppelter Quantenpunkte. Die Zustände der Quantenpunkte ändern sich bei Messungen - "außer eben die fittesten", die durch die Wechselwirkung mit der Umwelt selektiert würden, so die Physiker.

Ihr Ergebnis werten die Forscher als Nachweis, dass Quanten-Darwinismus tatsächlich auftritt. Denn nur mit Hilfe der Theorie des Quanten-Darwinismus habe man laut Kuchar "die beobachtete Leitfähigkeit im Magnetfeld bei gekoppelten Quantenpunkten" erklären können und das Phänomen so theoretisch nachgewiesen. "Die direkte experimentelle Beobachtung steht noch aus", so Kuchar. Aber auch das sei künftig möglich. Die Ergebnisse veröffentlichten die Forscher jüngst in den "Physical Review Letters".

Quelle: derStandard.at

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